Kurz erklärt: Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen

Besonders deutlich wird die Mitbestimmung beim Thema Kündigungsschutz und personelle Einzelmaßnahmen – also überall dort, wo es um den Arbeitsplatz, die Existenz und die Zukunft einzelner Kolleginnen geht. Genau hier greifen zentrale Beteiligungsrechte des Betriebsrats, geregelt in den §§ 99, 102 und 103 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG).
1. Personelle Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG – Ohne Zustimmung kein Personalwechsel
Der § 99 BetrVG regelt die Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen in Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmer*innen. Darunter fallen u. a.:
- Einstellungen
- Versetzungen
- Eingruppierungen und Umgruppierungen
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat vor Durchführung dieser Maßnahmen um Zustimmung zu ersuchen. Der Betriebsrat prüft dann die Maßnahme – nicht nur formell, sondern auch inhaltlich. Besonders kritisch aus gewerkschaftlicher Sicht ist die Frage: Wird hier ein/e Kolleg*in benachteiligt, übergangen oder durch eine interne „Personalrochade“ ausgebootet?
Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, muss der Arbeitgeber die Maßnahme aussetzen – es sei denn, er klagt vor dem Arbeitsgericht auf Zustimmungsersetzung. Dieses Verfahren schützt Beschäftigte nicht nur vor willkürlichen Entscheidungen, sondern zwingt den Arbeitgeber zur Transparenz. Gerade in Zeiten von Restrukturierung, Leistungsdruck und Sparmaßnahmen ist dieses Instrument ein Bollwerk gegen soziale Kälte.
2. Anhörung bei Kündigungen nach § 102 BetrVG – Ohne Betriebsrat keine Kündigung
Die wohl bekannteste Vorschrift ist § 102 BetrVG: Die Anhörung des Betriebsrats vor jeder Kündigung. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung informieren – und zwar umfassend:
- Wer ist betroffen?
- Warum soll gekündigt werden?
- Welche sozialen Gesichtspunkte wurden geprüft?
Der Betriebsrat kann Bedenken oder sogar Widerspruch einlegen. Zwar hat der Widerspruch keine direkte aufschiebende Wirkung, aber:
Legt ein/e Arbeitnehmer*in gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage ein, verbessert ein Widerspruch des Betriebsrats die Position erheblich. Nach § 102 Abs. 3 BetrVG besteht sogar ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Verfahrens.
Für die Gewerkschaft ist das nicht nur ein juristisches Mittel, sondern auch ein politisches Signal: Der Arbeitgeber soll nicht einfach durchziehen können, was ihm gerade in den Kram passt. Kündigungen sind keine betriebswirtschaftliche Routine – sie greifen tief in das Leben von Menschen ein und gehören unter demokratische Kontrolle.
3. Der besondere Kündigungsschutz nach § 103 BetrVG – Schutz für die Aktiven
§ 103 BetrVG schützt diejenigen besonders, die für andere ihre Stimme erheben: Betriebsratsmitglieder, Jugend- und Auszubildendenvertretungen sowie Schwerbehindertenvertretungen. Für sie gilt:
Eine Kündigung ist nur mit Zustimmung des Betriebsrats möglich – und bei ordentlichen Kündigungen zusätzlich mit Genehmigung des Arbeitsgerichts.
Das ist kein Privileg, sondern ein notwendiger Schutz:
Aktivistinnen und Interessenvertreterinnen sind überdurchschnittlich oft Angriffen durch Arbeitgeber ausgesetzt – von subtiler Ausgrenzung bis zur gezielten Kündigung.
Die gesetzliche Regelung soll verhindern, dass unbequeme Stimmen mundtot gemacht werden. Wer sich engagiert, muss geschützt werden – sonst wird betriebliche Demokratie zur Farce. Gewerkschaften kämpfen daher dafür, diese Schutzrechte konsequent durchzusetzen – und auszubauen.
4. Politische Einordnung: Mitbestimmung ist gelebte Demokratie
Aus gewerkschaftlicher Sicht sind die Mitbestimmungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen eine tragende Säule des Kündigungsschutzes. Ohne sie wäre der Kündigungsschutz ein zahnloser Tiger.
In einer Zeit, in der Arbeitsverhältnisse prekärer, Führung autoritärer und der Druck auf Beschäftigte größer wird, brauchen wir mehr Mitbestimmung – nicht weniger. Doch diese Rechte stehen unter Beschuss: Arbeitgeberlobbys fordern Entbürokratisierung und Flexibilisierung – meist nichts anderes als die Demontage kollektiver Schutzrechte.
Auch die Realität in vielen Betrieben zeigt: Rechte allein reichen nicht. Es braucht aktive Betriebsräte, mutige Kolleg*innen und starke Gewerkschaften, die diese Rechte auch tatsächlich nutzen. Betriebsräte müssen sich schulen lassen, Unterstützung holen und im Zweifelsfall den Konflikt nicht scheuen.
5. Gewerkschaftliche Praxis: Gemeinsam gegen Kündigungen
In der gewerkschaftlichen Praxis zeigt sich: Betriebsräte, die Kündigungen kritisch prüfen, schaffen es oft, Beschäftigte zu schützen oder sozialverträgliche Lösungen zu erreichen. Aber nur, wenn sie nicht allein dastehen.
Gewerkschaftlicher Rechtsschutz, Schulungen und Solidarität im Betrieb machen den Unterschied. Wo Vertrauensleute aktiv sind, Gewerkschaftssekretär*innen unterstützen und Belegschaften sich organisieren, ist der Kündigungsschutz kein Papiertiger – sondern ein scharfes Schwert.
Fazit: Kündigungsschutz braucht starke Mitbestimmung
Die §§ 99, 102 und 103 BetrVG sind mehr als juristische Paragraphen – sie sind Ausdruck einer demokratischen Arbeitswelt. Sie geben dem Betriebsrat das nötige Werkzeug, um Beschäftigte zu schützen und soziale Gerechtigkeit im Betrieb durchzusetzen.
Doch diese Rechte sind kein Selbstläufer. Sie müssen erstritten, verteidigt und mit Leben gefüllt werden.
Wer will, dass Kündigungsschutz funktioniert, braucht einen aktiven Betriebsrat. Und wer will, dass Betriebsräte stark sind, braucht eine starke Gewerkschaft.
Gemeinsam gegen Willkür, gegen Entlassung und für ein gutes Leben in der Arbeit.